Tanz-Trilogie: derwesten.de 24.03.2013
Ein Kunst-Schatz in vollendeter Bewegung
Beim Wort „Ballett“ rümpfen all jene die Nase, die an „Schwanensee“ denken - ohne dabei zumeist genau zu wissen, was das überhaupt ist, geschweige denn, jemals eine solche Inszenierung selbst erlebt zu haben. Beim Wort „Ballett“ schnalzen jedoch all jene genießerisch mit der Zunge, die schon einmal die Hagener Tanz-Compagnie live gesehen haben. Denn was die leidenschaftliche Truppe von Chefchoreograph und Direktor Ricardo Fernando an der Volme leistet, ist nicht nur aller Ehren wert, sondern kann sich auch im internationalen Maßstab mit den Besten der Szene messen lassen.
Jüngstes Beispiel für die wunderbare Bewegungskunst des Hagener Balletts ist der neuen Abend „Tanz-Trilogie“, der am Samstag umjubelte Premiere hatte. Aus ganz Europa, ja sogar aus der Mongolei waren die neugierigen Ballett-Kenner angereist, um die so ungemein engagierte und könnerhafte Tanzgemeinschaft zu bestaunen.
Drei Choreographen - Hugo Viera, Young Soon Hue und Ricardo Fernando - zeichnen für das ambitionierte Programm verantwortlich. Drei Stücke, drei Mentalitäten, drei Stunden Tanz-Rausch: schwindelerregend und mitreißend, emotional, dramatisch und perfekt.
Spektakuläre Szenen
Angesichts der artistisch-akrobatischen Leistungen auf der Bühne bekam die Vorab-Aussage von Ricardo Fernando nochmals eine ganz unmittelbare Bestätigung: „Wir Tänzer sind es gewohnt, täglich mit dem Schmerz umzugehen.“
Und was da augenscheinlich „unter Schmerzen“ bei den harten Proben geboren wurde, hatte förmlich existenzielle Kraft, urwüchsige Dynamik, aber eben auch zutiefst seelenvollen Gehalt.
Zu den markant-eindringlichen Musiken von Max Richter, Ezio Bosso, Bernardo Sassetti und Biosphere glänzten die Tänzerinnen und Tänzer mit intensivsten Bewegungsfiguren und -abfolgen. Gedanken und Gefühle verdichteten sich ein ums andere Mal in spektakulären Szenen und originellen Umsetzungsideen.
Peer Palmowski sorgte für eine freie Bühne, die lediglich in effektvoller Seitenschachtelung, gezielter Ausleuchtung und wenig anderen sparsamen Requisiten Blick und Geist der Zuschauer ganz auf den Tanz konzentrierte. Die gedämpft farbigen Kostüme von Heiko Mönnich korrespondierten in gleicher Weise wie das zurückgenommene Bühnenbild mit dem Wunsch nach spartanischer Einrahmung zugunsten des künstlerischen Ausdrucks.
Dem frenetischen Beifall nach zu urteilen, kam die Einstudierung „Mind over matter“ von Hugo Viera mit ihrem geradezu stürmischen Temporeichtum beim Publikum am besten an. Den vielleicht emotionalsten Part bot Young Soon Hue mit „Touch“, einer geschlechter-übergreifenden Liebesbotschaft voller Lust und Sinnlichkeit. Ricardo Fernando schließlich beendete den Dreierreigen mit seiner „Nacht“-Inszenierung, bei der vor allem überraschende Gruppenbilder für spontane Begeisterung im Parkett und auf den Rängen sorgten.
Kunst-Schatz für die ganze Region
Es ist schon wirklich faszinierend, auf welch hohem Niveau in Hagen das moderne Tanztheater angesiedelt ist. Dass Ricardo Fernando dabei immer auch wieder Gast-Choreographen in sein Programm einbindet, ist zudem eine dankenswerte Bereicherung. Über die Jahre hinweg hat sich diese Compagnie eine außerordentliche Wertschätzung weit über die Region hinaus erarbeitet, und auch mit ihrem neuen Programm belegt sie eindringlich ihre unbedingte Qualität.
Für Hagen, für ganz Südwestfalen, ist dieses Ballett ein kulturelles Aushängeschild erster Güte. Ein Kunst-Schatz im besten Sinne, den es unbedingt zu bewahren gilt.
Andreas Thiemann, derwesten.de 24.03.2013